Roboteranzüge und Implantate für Querschnittsgelähmte
Okt.
Dietbert Vogt ist ein großer Stahlbauer der bei Wind und Wetter auf Montage gearbeitet hat, bis sich im Oktober 2013 sein Leben schlagartig verändert hat. Seit dem Unfall ist er querschnittsgelähmt und braucht einen Rollstuhl. Er gehört zu den ersten Patienten, die im Rückenmarkzentrum mit einer neuen Technik behandelt werden, die ein wenig an Science-Fiction erinnert.
Was ist das für eine Technik?
Es handelt sich hierbei um einen Roboteranzug, der aus Gurten, Stützen, schweren Akkus, Kabeln und Computertechnik besteht, die der Patient auf dem Rücken trägt. Eine bewegliche Gelenkkonstruktion führt an den Beinen entlang, die unter die Füße geschnallt wird und mit der Fernbedienung wird die gesamte Konstruktion von speziell geschultem Personal bewegt. Die Systeme werden auch Exoskelette genannt, die in der medizinischen Rehabilitation Neuland sind und ausschließlich als Trainingssysteme in Kliniken eingesetzt werden und nicht als Mobilitätshilfen im Alltag.
Robotersystem ist leider noch nicht für jeden Patienten geeignet
Leider ist das Robotersystem nicht für jeden Patienten geeignet, beispielsweise für Menschen mit einer Lähmung oberhalb des sechsten Halswirbels, die ihre Arme nicht bewegen und aufrecht sitzen können.
Ziel des Robotersystems
Ziel des ganzen soll es sein, dass man eine Studie über Nutzen, Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technik erstellen kann. Man kann die Anspannung im Gesicht des Patienten ablesen, da er die Zähne zusammenbeißt. Der Therapeut hilft ihm aus dem Rollstuhl in eine aufrechte Körperhaltung, stützt den Körper samt Roboteranzug auf einen Spezialrollator. Seine Hände umklammern zwei Griffe und er schiebt sich Millimeter für Millimeter voran, doch der Krankenhausflur scheint unendlich lang zu sein – dabei sind es in Wirklichkeit nur hundert Meter. Das Gefühl ist unbeschreiblich schön für den Patienten, jedoch sehr anstrengend und er würde diese Therapie niemals ohne seine Familie durchstehen.
Die aus den USA und Japan stammende Robotertechnik wird seit einem Vierteljahr in Halle erprobt, so werden Exoskelette in medizinischen Spezialreinrichtungen in anderen Städten wie Greifwald, Bochum, Murnau und Tübingen zur begleitenden Therapie eingesetzt. Chefarzt Röhl sagte, dass die Klinik in Halle in der Breite der Erprobung an Patienten weltweit die Vorreiter sind, da in der Spezialklinik pro Jahr 1100 Patienten behandelt werden, davon 120 , die eine akute Lähmung haben. Die Klinik macht keine Illusionen bei der monatelangen Therapie, da das Leben nach dem Unfall nie mehr so sein wird wie vorher.
Roboteranzüge können keinen Rollstuhl ersetzen
Roboteranzüge sind ein ganz großer Schritt für die Rehabilitation von Patienten, können jedoch keinen Rollstuhl ersetzen. Der Kollege von Rückenmarkexperte Röhl ist Frank Röhrich, der mit ihm einer Meinung ist und seit seinem Unfall vor 18 Jahren selbst querschnittsgelähmt ist. Röhrich sagt, dass die Robotersysteme nichts mit normalen Gehen zu tun hätten, er hofft aber, dass die Technik irgendwann soweit ist, dass man ohne fremde Hilfe das Gleichgewicht halten kann, die Arme frei bewegen und problemlos Treppen steigen kann. Röhrich arbeitet als Operateur im Rückenmarkzentrum, macht auch die Physiotherapie im Roboteranzug und empfindet selber, dass es ein unbeschreiblich schönes Gefühl ist zumindest für einen längeren Moment – jemanden wieder auf gleicher Höhe in die Augen schauen zu können. Danach fährt er im Rollstuhl zum Dienst.
Ist Querschnittslähmung dank eines Implantates bald heilbar?
Hamburger Wissenschaftler haben ein Implantat entwickelt, das verletztes Rückenmark mechanisch zusammenführen kann und einen gezielten Zugang zum verletzten Gewebe gestattet. Das künstliche Material ist kleiner als eine Cent- Münze, das innen aus wabenförmigen Röhrchen besteht, die parallel gruppiert sind und einen Durchmesser von 300 Mikrometern aufweisen und damit ungefähr so dick sind wie drei menschliche Haare. Wird das Material eingepflanzt, wird durch einen Schlauch gleichzeitig Luft abgesaugt. Dabei bildet sich ein Unterdruck, der dafür sorgt, dass sich die unterbrochenen Nervenenden aneinander festsaugen und wieder zusammenwachsen. Die Forscher haben ihre Methode bereits in Tierversuchen erfolgreich getestet und gehen davon aus, dass das Implantat in den nächsten zehn Jahren auf den Markt kommen wird. Dafür sind natürlich noch umfangreiche Untersuchungen erforderlich.
Aus welchem Material das Implantat sein soll ist bis jetzt noch nicht geklärt, da die Wissenschaftler von der TU Hamburg Plexiglas nutzten. Wie verträglich dieses Material jedoch im Bereich des Rückenmarks ist, wird sich noch beweisen. Das Material sollte biokompatibel als auch abbaubar sein, damit der Körper eines Gelähmten keine abstoßende Reaktion zeigt.